Hans Siemsen

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Hans Siemsen (* 27. März 1891 in Mark bei Hamm; † 23. Juni 1969 in Essen) war ein deutscher Journalist und Schriftsteller. Er war homosexuell und verfasste unter anderem päderastisch getönte Geschichten über Begegnungen mit Jungen.

Leben

Hans Siemsen war der Sohn eines Pfarrers und der Bruder der Pädagogen und Politiker Anna und August Siemsen. 1901 zog die Familie nach Osnabrück. Nachdem er eine Lehre als Buchhändler absolviert hatte, begann Hans Siemsen 1912, in München Kunstgeschichte zu studieren. 1913 ging er nach Paris, wo er in den Künstlerkreisen des "Café du Dôme" verkehrte. Ab 1914 veröffentlichte er Beiträge in der Zeitschrift "Die Aktion", und ab 1915 gehörte er der Redaktion der Zeitschrift "Zeit-Echo" an. Im Herbst 1916 wurde er zum Militärdienst einberufen; 1917 nahm er an Kämpfen an der Westfront teil; er wurde verschüttet und verbrachte längere Zeit in einem Lazarett. In der Endphase des Ersten Weltkrieges entwickelte sich Siemsen zum Sozialisten und war Anhänger der Oktoberrevolution.

Ab 1919 lebte Siemsen als freier Schriftsteller in Berlin. Er wurde Mitarbeiter der "Weltbühne" und leistete vor allem auf dem Gebiet der Filmkritik Pionierarbeit. Während der Zwanzigerjahre war er im Kunsthandel tätig und pflegte Kontakte zu zahlreichen Künstlern der Weimarer Republik. Er war engagiert im Kampf gegen den Paragraphen 175 des deutschen Strafgesetzbuches, der homosexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte. Siemsen war außer für die "Weltbühne" auch für weitere Berliner Zeitungen und das satirische Blatt "Uhu" tätig. 1930 unternahm er eine sechswöchige Reise als Reporter durch die Sowjetunion; ab 1931 war er Mitglied der von ihm mitbegründeten inksoppositionellen Partei Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD). Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung im Jahre 1933 entging er durch einen Zufall der Verhaftung.

Anfang 1934 emigrierte er nach Paris. Hier, im westeuropäischen Zentrum des politischen Exils bis zum Kriegsausbruch, beteiligte er sich rege an den antifaschistischen Aktivitäten: Seit 1937 gehörte er mit Bert Brecht, Egon Erwin Kisch und Anna Seghers zum Vorstand des „Schutzverbandes deutscher Schriftsteller"; regelmäßig schrieb er Artikel für verschiedene Exilorgane wie „Pariser Tageszeitung" und „Die Zukunft". 1935 gab er anonym von Frankreich aus den im Berliner Rowohlt Verlag erscheinenden Nachlass seines Freundes Joachim Ringelnatz heraus. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs stellte er den Antrag auf ein Visum zwecks Einreise in die Vereinigten Staaten von Amerika. Er geriet jedoch kurz darauf in französische Internierung im Lager Colombes. 1940 gelang es ihm, unterzutauchen und nach Sanary-sur-Mer zu fliehen. 1941 hielt er sich im Marseille auf. Erneute Bemühungen um ein Visum für die USA waren inzwischen durch die Mithilfe der von Hubertus Prinz zu Löwenstein gegründeten American Guild for German Cultural Freedom erfolgreich gewesen, so dass Siemsen über Portugal in die USA gelangte.

In Amerika arbeitete Siemsen erneut als Journalist für Presse und Rundfunk. Persönliche Probleme, wie seine Alkoholsucht und die ständige Geldnot, von denen bereits das französische Exil geprägt gewesen war, nahmen immer mehr überhand. Siemsen lebte in ausgesprochen ärmlichen Verhältnissen, fühlte sich isoliert und vereinsamte zunehmend. Ab 1946 hatte er den dringenden Wunsch, nach Europa zurückzukehren, dessen Erfüllung sich jedoch durch Schwierigkeiten bei der Ausstellung von Pass und Visum verzögerte. 1948 gelangte er schließlich nach Frankreich, und ab 1949 lebte er wieder in Deutschland, anfangs bei seinem Bruder Karl Siemsen in Düsseldorf. Hans Siemsen war nicht mehr in der Lage, schriftstellerisch zu arbeiten und galt inzwischen als Pflegefall. Er starb 1969 in einem Pflegeheim der Arbeiterwohlfahrt in Essen.

Werk

In den 20er Jahren hatte Siemsen zur Berliner Künstlerbohème gehört und mehrere Bände mit Erzählungen sowie Sachbücher veröffentlicht. Aus seiner Homosexualität machte er keinen Hehl; viele seiner Geschichten, häufig Skizzen von Begegnungen mit Jungen, sind päderastisch getönt. 1927 war seine Anklageschrift gegen den § 175 mit dem Titel „Verbotene Liebe" erschienen. In Paris verfaßte er 1937/38 sein bekantestes Werk „Die Geschichte des Hitlerjungen Adolf Goers".

  • Auch ich, auch du, Leipzig 1919
  • Wo hast du dich denn herumgetrieben?, München 1920
  • Die Geschichte meines Bruders, Stuttgart [u.a.] 1923
  • Das Tigerschiff, Frankfurt a.M. 1923
  • Charlie Chaplin, Leipzig 1924
  • Paul ist gut, Stuttgart 1926
  • Verbotene Liebe, Berlin 1927
  • Rußland, ja und nein, Berlin 1931
  • Die Geschichte des Hitlerjungen Adolf Goers, Düsseldorf 1947; Erstausgabe in englischer Sprache: Hitlers Youth, London 1940
  • Schriften, Essen
    • 1. Verbotene Liebe und andere Geschichten, 1986
    • 2. Kritik - Aufsatz - Polemik, 1988
    • 3. Briefe von und an Hans Siemsen, 1988
  • Hans-Siemsen-Lesebuch. Zusammengestellt und mit einem Nachwort versehen von Dieter Sudhoff. Köln 2003 [Nylands Kleine Westfälische Bibliothek 3][1]
  • Nein! Langsam! Langsam! Gesammelte Erlebnisse, Feuilletons. Hg. und mit einem Nachwort versehen von Dieter Sudhoff. Berlin 2008

Literatur

  • Dieter Sudhoff: Die literarische Moderne und Westfalen. Besichtigung einer vernachlässigten Kulturlandschaft. Bielefeld 2002 [=Veröffentlichungen der Literaturkommission für Westfalen 3], S. 452-505
  • Dieter Sudhoff: Hans war gut. Eine Erinnerung an Hans Siemsen (1891-1969). In: Literatur in Westfalen. Beiträge zur Forschung 8/2006.
  • Dieter Sudhoff: Nachwort. In: Siemsen, H.: Nein! Langsam! Langsam! Berlin 2008, S. 155-165

Weblinks