Peer

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Peer (von lat, par „gleich, ebenbürtig“; frz. Pair) ist ursprünglich die Bezeichnung für einen Angehörigen des britischen Hochadels. Peer meint den Gleichrangigen.

Peergroup

Erst im Laufe des 20. Jahrhunderts entwickelte sich mit dem soziologischen Konzept der Primärgruppen [1] der Begriff Peergroup. Im Zuge fortschreitender entwicklungspsychologischer Theoriebildung und pädagogischer Einflußnahme auf außerschulische Lebenswelten bildete sich ein Verständnis von Peergroup als Gruppe gleichaltriger Kinder oder Jugendlicher. Altersgleichheit ist jedoch kein hinreichendes Kriterium für die Zugehörigkeit zu einer Peergroup, semantisch ist es arbiträr. Statusgleichheit bzw. Gleichberechtigung der ihr zugehörigen Personen ist das entscheidende formale Kriterium.

Soziologisch

Die Peergroup ist neben der Familie eine wichtige, primäre, durch persönliche Bande geknüpfte Sozialisationsinstanz. Anders als die Familie ist sie jedoch nicht durch Fremdbestimmung, Herrschaft und nicht-reziproke Fürsorge gekennzeichnet, sondern durch weitestgehende Freiheit und Selbstbestimmung, sowie in der Regel durch gemeinsame Interessenlagen. Weil sie der familiären (persönlichen, sich unterordnenden) Orientierung und der gesellschaftlichen (funktionalen, sich einordnenden) Orientierung gewissermaßen zwischengelagert ist, ist Peer-Orientierung als Transition (Übergangsmodus) beschreibbar.

Funktionalisierung

Innerhalb der Entwicklungspsychologie (z.B. Piaget, Erikson), wie auch in psychoanalytischen Texten (Erdheim, Sullivan) werden Peer-Gemeinschaften als notwendiges Übergangsphänomen des späten Kindes- und besonders des Jugendalters begriffen; sie begleiten den Ablösungsprozess von der Familie und treiben ihn voran. Dabei wird suggeriert, dass Gruppenbildungen analog den Peers in höherem Alter dysfunktional sind und eigentlich nicht vorkommen dürften.

Pädagogische Instanzen haben ein ambivalentes Verhältnis zur Peergroup: die Beziehungen in ihr sind nicht affektneutral, Werte und Interessen spezifisch und nicht-universell, Verhalten nicht kontrollierbar und Lernfortschritte nicht programmierbar - gleichwohl bleibt Pädagogik mit naturwüchsigen, sich v.a. korrektiv herstellenden Peergruppenbildungen konfrontiert und muß auf sie reagieren wie auf den viel zitierten "geheimen Lehrplan". Die Reaktionen reichen von Denunziation (Cliquenbildung, Gruppen- und Anpassungsdruck, Gewalt- und Jugenddelinquenz) bis zur schulischen Vermittlung und Vereinnahmung im Rahmen von Streetwork, Sozialprojekten und Peer Education.[2]

Pädos und Peers

Nach einem Referat der AG Pädo Berlin, gehalten auf einer Tagung der Arbeitsgemeinschaft Humane Sexualität (AHS e.V.) 2006, ließe sich auch eine BL-Beziehung zu Jungen im "Gestaltungssegment Peer" verorten. »Pädo (...) konstituiere ein mögliches viertes Sozialisationsfeld neben Schule beziehungsweise pädagogisch gerahmten Feldern, Familie und Gleichaltrigenbeziehungen. Mit den letzteren teilten Pädo-Beziehungen den "Peer"-Begriff ...«,[3] mit dem Unterschied allerdings, daß Pädos nicht Teil der Gruppengesellungsform seien, wie sie für Peer-Kontakte charakteristisch ist. Gemeinsame Basis für BL-Beziehungen wie für Peer-Kontakte seien Gleichrangigkeit und Bindung durch Sympathie. Die entscheidende Differenz bestehe jedoch nicht im Altersabstand, sondern in der Exklusivität als Grundlage der Beziehung zwischen Boylovern und Jungen. (siehe auch Ralfsches Gesetz)

Quellen

  1. Cooley, Charles H. (1909). Social organization. A study of the larger mind. New York: Scribner's Sons. Cooley nennt vier Charakteristika von Primärgruppen: Zusammenhalt, Face-to-face-Beziehungen, Intimität, Wir-Gefühl bzw. Gruppenidentität
  2. Nörber, Martin (Hrsg.)(2002). Peer-education: Bildung und Erziehung von Gleichaltrigen durch Gleichaltrige. Weinheim: Juventa.
  3. zitiert nach: Heyn, Denis (2007). Soko Wurstfabrik & mystischer Quark. Gigi 47, 22f.