Rind-Kontroverse (politisch)

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Im Jahre 1998 erschien eine Meta-Studie über die psychischen Auswirkungen des sexuellen Kindesmissbrauchs, der Titel dieser Studie lautet:

Bruce Rind, Ph.D., Robert Bauserman, Ph.D. & Philip Tromovitch, Ph.D. (cand.), A Meta-Analytic Examination of Assumed Properties of Child Sexual Abuse Using College Samples, veröffentlicht in Psychological Bulletin. 124(1), 22-53. [1]

Diese Studie zog eine breite wissenschaftliche und öffentliche Debatte nach sich. In diesem Beitrag wird die öffentliche Debatte nachgezeichnet.


Kommentar der NAMBLA

Für einige Monate nach Erscheinen des Artikels blieb jede Reaktion aus. Die öffentliche Debatte begann erst, als ihn die North-American Man-Boy Love Association lobend erwähnte, was wohl nicht die Art von Anerkennung war, die sich die Forscher erhofft hatten. Aus der Homepage von NAMBLA:

Die Forscher fanden heraus, dass:

  • Der grundlegende Glaube in der allgemeinen Bevölkerung über die sexuellen Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen mit Erwachsenen (z.B. der Glaube, dass sie typischerweise starken Schaden anrichten) nicht durch einen Beweis unterstützt werden.
  • Die meisten jugendlichen sexuellen Erfahrungen mit älteren Partnern keine Gewalt oder Drohungen beinhalten.
  • Faktoren bezüglich der familiären Umgebung 9 mal wichtiger waren als die sexuellen Erfahrungen, um eine Vorhersage über schädliche Ergebnisse zu treffen. Studien der "Missbrauchs-Industrie" übergehen konsequenterweise schlechte Familienumgebungen als Hauptursache für Missbrauch und schädliche Erfahrungen.
  • Es gibt keine Verbindung zwischen den sexuellen Erfahrungen von Jungen und emotionalen Probleme, wenn die Erfahrung nicht unerwünscht war. Der Zusammenhang zwischen den sexuellen Erfahrungen von Mädchen, die als "Missbrauch" eingestuft werden können und einer schlechten emotionalen Einstellung ist sehr gering und kann nicht von einer ursächlichen Hauptbeziehung herrührend angenommen werden.
  • Durchschnittlich 70% der Männer in der Studie berichteten, dass als Kinder oder Jugendliche ihre sexuellen Erfahrungen mit Erwachsenen positiv oder neutral waren.

Im wesentlichen gibt dieses Statement die Resultate des Artikels richtig wieder, nur die Bemerkung über die Erfahrungen der Mädchen wird so nicht gestützt von der Studie. Tatsächlich berichteten Mädchen sehr viel häufiger über Probleme, außerdem ergaben sich bei ihnen unter Berücksichtigung von Zwang und eines engen Verwandtschaftsgrads negative Folgen.


Reaktion der NARTH und Dr. "Laura" Schlesinger

Dieser Artikel der NAMBLA brachte die National Association on Research and Therapy of Homosexuality auf den Plan, eine Organisation, die sich der Therapie der Homosexualität verschreibt und sich im Ex-Gay-Movement hervortut. Über sie wurde "Dr. Laura" Schlesinger informiert und erreichte nun endlich eine breite Medienöffentlichkeit. Schlesinger ist eine Medien-Psychotherapeutin mit einem Millionenpublikum. Folgendes brachte sie gegen die American Psychiatric Association, in dessen Bulletin der Artikel von Rind et al erschienen war, vor:

"Das ist der gefährlichste Angriff auf unsere Kinder, unsere Famlien und unsere Gesellschaft. [...] Ich habe die Studie so oft gelesen, dass ich davon im Magen krank wurde, und jetzt noch, während ich diesen Text schreibe, bin ich praktisch sprachlos." "Wenn Pädophilie keine geistige Krankheit ist, was ist es dann?" "Was mich richtig erschreckt ist die Idee, dass die Rind-Studie nun dazu benutzt wird Pädophilie zu normalisieren, das rechtliche System zu ändern und darüber hinaus die Familie zu zerstören." [2]

Allerdings gibt die Rind-Studie überhaupt keine Auskunft über die Frage, ob Pädophilie eine Krankheit ist oder nicht, ihre Absicht war auch weder darüber, die "Pädophilie zu normalisieren" noch "das rechtliche System zu ändern". Denn es ging Rind nur um den wissenschaftlichen Begriff des sexuellen Kindesmissbrauchs; ihn wollten sie abkoppeln vom rechtlichen Begriff.

Zum Kreuzzug der Dr. Schlesinger gegen die APA gesellten sich die Family Research Council und die Christian Coalition, konservative Organisationen, die sich für den Erhalt der Familie und die christlichen Werte einsetzen; denn dass die Rind-Studie und mit ihr die APA die Familie zerstöre, war nun mittlerweile im Land verbreitet.

Die APA, durch Schlesinger dermaßen angegriffen, veröffentlichte im März 1999 eine Stellungnahme, in der sie mitteilte, dass Kindesmissbrauch schwere Schäden bei den Kindern verursache und die Rind-Studie nur einige mildernde Faktoren aufgezeigt habe.

Das nutzte der APA allerdings wenig. Der Fall wurde zum Politikum, denn Gary Bauer, ein Vorstandsmitglied des Family Research Council, war gleichzeitig Präsidentschaftskandidat und rechtskonservativer Republikaner.


Politische Verurteilungen

Als erste verabschiedete Alaska eine Resolution gegen die Rind-Studie:

"[...] SEI ES BESCHLOSSEN, dass die Staatslegislatur von Alaska alle Andeutungen in der kürzlich von der amerikanischen Psychologengesellschaft veröffentlichten Studie verurteilt und denunziert die anzeigen, dass sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen und bereitwilligen Kinder weniger schädlich sind als angenommen und möglicherweise sogar positiv für "bereitwillige" Kinder"

und forderten den Präsidenten der Vereinigten Staaten auf, jegliche Andeutungen zurückzuweisen und zu verurteilen, die "sexuelle Beziehungen zwischen Kindern und Erwachsenen [...] anders als missbräuchlich, zerstörerisch, ausbeuterisch, tadelnswert und strafbar vor dem Gesetz" bewerten. Andere US-Staaten schlossen sich dem an. Präsident Clinton ließ sich allerdings noch Zeit zu reagieren.

Zwischenzeitlich sahen sich Rind, Bauserman und Tromovitch gezwungen, selbst an die Öffentlichkeit zu treten und Missverständnisse ihrer Studie auszuräumen.[3] In dieser Stellungnahme nahmen die Autoren nichts von ihren Ergebnissen zurück und wiederholten nur Folgerungen, die sie bereits veröffentlicht hatten. Sie blieben dabei, dass der wissenschaftliche Begriff des Kindesmissbrauchs nicht hilfreich ist, aber sie lehnten eine Ausweitung ihrer Forschung auf rechtliches oder moralisches Terrain ab.

Auch die APA bemüßigte sich zu einer weiteren Stellungnahme, in der sie ausdrücklich die statistische Korrektheit der Studie unterstützten, nachdem sie zunänchst peer-reviewed und zusätzlich von einem unabhängigen Statistiker nochmal überprüft worden sei. Mittlerweile überprüften Kongressabgeordnete, von wem die Rind-Studie finanziert wurde (sie entstand in der Freizeit der Dozenten) und ob man den drei Autoren kündigen könnte. Die Amerikanische Bibliothekaren-Assoziation wurde angewiesen, den Artikel aus den Regalen der Bibliotheken zu verbannen, was diese jedoch ablehnte.

Im Juni 1999 veröffentlichte die APA eine weitere Stellungnahme in Form eines offenen Briefes[4], in dem sie ankündigte, die Rind-Studie unter kritischen Vorbehalten zu re-analysieren: waren die Opfer sexuellen Missbrauchs vielleicht so geschädigt, dass sie nicht die Aufnahme zum College schafften und daher aus der Studie fielen? Oder hatten sie bereits psychotherapeutische Hilfe erhalten, wodurch sie geheilt waren? Die APA jedenfalls machte klar, dass sie wissenschaftliche Studien in Zukunft auch unter ihrer öffentlichen Wirkung beurteilen werde und nicht nur nach ihrem wissenschaftlichen Wert. Allein schon das stellt ein erheblicher Eingriff in die Freiheit der Forschung dar.


Verurteilung durch das Repräsentantenhaus

Doch alle Erwiderungen nutzten nichts: am 12. Juli 1999 verabschiedete das Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten die Resolution Nr. 107 (PDF) mit 355 Ja Stimmen gegen 0 nein und 13 Enthaltungen. Darin heißt es:

Die Ansicht des Kongresses ausdrückend, die Schlussfolgerungen eines kürzlich im Psychological Bulletin erschienenen Artikels zurückweisend, der andeutet dass sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern möglicherweise positiv für Kinder sind. [...] Wobei das religiöse, physische und mentale Wohlbefinden der Kinder die heilige Pflicht der Eltern ist; [...] Wobei der oberste Gerichtshof festgestellt hat, dass sexuell ausgebeutete Kinder unfähig sind gesunde, liebevolle Beziehungen im späteren Leben zu entwickeln und die Tendenz haben als Erwachsene sexuelle Missbraucher zu werden [...]

Deswegen sei es durch das Repräsentantenhaus beschlossen, dass der Kongress (1) alle Andeutungen in dem Artikel "Eine Meta-Analytische Untersuchung ..." verurteilt und denunziert [...] (3) den Präsidenten drängt gleichfalls auf das Schärfste jegliche Andeutung zurückzuweisen und zu verurteilen [...]

Einige Stimmen in der Debatte über diese Resolution:

"Es war unentschuldbar für ein respektiertes, akademisches Journal eine Studie zu veröffentlichen, die impliziert das Erwachsenen-Kind-Sex eine positive Erfahrung ist."

"Es gibt keine niedrigeren Lebensformen als Erwachsene, die Kinder sexuell missbrauchen. [...] Diejenigen, die dieses böse Benehmen entschuldigen, stehen auch sehr tief in der Nahrungskette und verdienen die härtest mögliche Verurteilung."

"Eine solche Studie, von so einer prestigevollen Institution, vergibt Glaubwürdigkeit und eine potentielle legale Verteidigung der pädophilen Geisteskranken."[5]

Auswirkungen

Dieser öffentliche Verurteilung führte dazu, dass die Autoren Rind, Bauserman und Tromovitch von einer weiteren Beschäftigung mit dem Thema „sexueller Kindesmissbrauch“ Abstand nahmen.[6] Es führte allerdings auch zu einer öffentlichen Stellungnahme von Wissenschaftlern, die für die Freiheit der Wissenschaft eintraten.[7]


Anmerkungen

<references>

  1. http://www.ipce.info/library_3/rbt/metaana.htm
  2. http://www.ipce.info/ipceweb/Documentation/Documents/00-056_dr_lauras_evil.htm)
  3. Bruce Rind, Philip Tromovitch, Robert Bauserman , The Validity and Appropriateness of Methods, Analyses, and Conclusions in Rind et al. (1998): A Rebuttal of Victimological Critique From Ondersma et al. (2001) and Dallam et al. (2001), Psychological Bulletin Vol 127. No.6.
  4. quelle
  5. Diese Äußerung übrigens von einem gewissen Tom DeLay, "The Hammer", der ... angeklagt wurde, Spendengelder veruntreut zu haben.
  6. quelle
  7. quelle